Die Autofahrer, die heute vor der roten Ampel auf der Hansabrücke zum Stehen kamen, reckten ihre Köpfe und schauten nach rechts und links. Vermutlich dachten sie das gleiche wie ich: „Nichts los in der Baustelle …“ Weit gefehlt! Die Musik spielt unter der Brücke. Dort werden immer noch die Spundwände errichtet, die um den Brückenpfeiler herum für eine trockene Baugrube sorgen sollen. So wie es im Moment aussieht, wird dieser Arbeitsgang auch noch zwei Wochen dauern. Jetzt fragen Sie: Warum dauert das so lange? Die Osterfeiertage spielen natürlich eine Rolle. Der Hauptgrund lässt sich am besten mit einer kleinen Rechenaufgabe erklären.
Textaufgaben kenne ich nur aus dem Matheunterricht in der Schule. Lang, lang ist es her! Ich probiere jetzt mal, meine erste Textaufgabe selbst zu schreiben. Los geht’s:
7 Meter lange Spundbohlen werden so tief in den Boden „geschoben“, dass am Ende oben noch circa 1 Meter rausguckt. Die Maschine, mit der das gemacht wird, heißt Rammbär. Der Bär ist 2,50 Meter hoch. Die unter der Hansabrücke zur Verfügung stehende Arbeitshöhe beträgt 4 Meter. Was muss ich tun, damit ich unter den gegebenen Umständen eine den Mittelpfeiler komplett umschließende Wand aus Spundbohlen errichten kann?
Weil ich niemanden mit Mathe quälen will, kommt hier direkt die Lösung:
Ich muss die Spundbohlen mit der Flex in handliche, 1,50 Meter lange Stücke zerschneiden. Dann schiebe ich sie in den Boden und achte dabei darauf, dass oben noch ein Stück raus guckt. Jetzt schweiße ich das nächste 1,50 Meter lange Stück an das noch rausguckende Ende. Jetzt kann ich wieder reinschieben, ein neues Stück abschneiden, dranschweißen, wieder reinschieben und so weiter. Ganz ehrlich: Das dauert! 😉
Diese Ölerei mit schneiden und schweißen ist nur in dem Bereich erforderlich, der direkt unter der Brücke liegt. Drumherum ist genügend Platz um die Spundbohlen in voller Länge in den Boden zu rammen. Dabei stoßen sie allerdings mitunter auf Hindernisse. Auch wenn man es gar nicht glauben mag: Größere Felsbrocken sind dabei noch das kleinere Übel. Richtig fies ist altes Holz, dass jahrelang in der Erde gelegen hat. Thomas Kortfunke vom Bauunternehmen Scheidt erklärt warum: „Einerseits hat Holz eine gewisse Festigkeit, andererseits ist es auch flexibel und fängt an zu federn.“ Und wenn es federt, dann hat der mit Vibrationen arbeitende Rammbär keine Chance. Durch Stein kann er die Spundbohle, wenn er eine günstige Stelle erwischt, eventuell noch durchdrücken. Holz muss auf jeden Fall raus.
Trotz des hohen Aufwands kann auf die Umschließung der Baugrube nicht verzichtet werden, weil später der Abriss des Mittelpfeilers auf einer Höhe unterhalb des Wasserspiegels durchgeführt wird. Das Wasser von unten in die Grube steigt ist laut Thomas Kortfunke unwahrscheinlich: „Laut Bodengutachten befinden sich darunter dicke Erdschichten aus wasserundurchlässigem Tonstein.“
Von dem alten Pfeilerfundament werden beim Abriss die untersten 50 Zentimeter erhalten. Das neue Fundament kommt oben drauf, umschließt das alte und wird damit flächenmäßig etwas größer. Das spart laut Kortfunke Kosten: „Je tiefer ich grabe, umso höher werden der Wasser- und der Erddruck auf die Spundwand. Das wiederum erfordert umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen.“ Weil das alte Betonfundament an dieser Stelle laut Gutachten erhalten werden kann, entfällt dieser zusätzliche Aufwand.
Zum Schluss gibt es noch eine Bildergalerie mit Fotos, die ich heute Vormittag in der Baustelle aufgenommen habe.
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